Gesangsunterricht
1. Definition
Unter professionellen Gesangsunterricht versteht man die Arbeit an der Profistimme durch einen Profistimmbildner. Der Stimmbildner, der mit leistungsvollem und entwicklungsfähigem Stimmmaterial umgeht, trägt eine große Verantwortung gegenüber dem jungen Menschen, die sich mit seinem Stimmorgan in professionelle Obhut eines Gesangslehrers begibt. Die Aufgabe des Gesangslehrers ist es, junge, herausragend schöne und talentierte Stimmen funktionell aufzuschließen und sie je nach Talent und Sparte individuell zu beraten, zu unterrichten, sie weiter zu entwickeln und aufzubauen.
2. Lehrtätigkeit bei Erwachsene und Kinder (Uni und Privat) und Ausbildungsziele
In keiner anderen mir bekannten Disziplin gibt es unter den Stimmbildnern so viele "schwarze Schafe" wie im Gesangsunterricht. Es ist zum Teil unglaublich, wer sich Gesangslehrer nennt, und wie diese unterrichten. Dabei müssen die Suchenden noch dazu sehr tief in die Tasche greifen, um an Wissenswertes "heran zu kommen".
Also: Es ist große Vorsicht geboten. Bitte unbedingt Empfehlungen von Musikprofessoren einholen.
Abgesehen von der großen Verantwortung gegenüber den jungen Menschen, die von einem Gesangslehrer technische Hilfe und stimmliche Führung erwarten, ist die Arbeit als Stimmbildner eine der faszinierenden Tätigkeiten, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe.
Auf der einen Seite stelle ich all mein sängerisches Wissen und technisches Können bereit, um dem jungen Sänger weiter zu helfen. Auf der anderen Seite benötige ich ein gutes klangliches Vorstellungsvermögen, ja fast ein Voraushören, wohin sich diese jungen Stimmen entwickeln könnten.
Der dritte und sehr entscheidende Punkt ist, sich mit offenen "Ohren" dem klanglichen Zeitgeist auf dem Sängermarkt zu stellen und eine begabte Stimme geschmackvoll musikalisch und stimmlich exquisit zu beraten.
Spannend ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die ihr Talent erkannt haben und es dementsprechend ausbauen wollen.
Über meinen Sohn, der seit einigen Jahren Sängerknabe der Regensburger Domspatzen ist, kam ich dazu, mich mit Knabenstimmen (im Alter ab 10 Jahren) auseinander zu setzen. Da diese zarten Stimmen mit sehr viel Gefühl aufgebaut und geführt werden müssen, muss man sich schon etwas ganz Besonderes einfallen lassen.
Das Arbeiten mit Kinderstimmen beinhaltet in der Regel die Arbeit an der Körperhaltung, Atmung, Resonanzweckung im Kopf, Vokalisation und Vokalausgleich, Artikulationslockerung und Vordersitz der Stimme, Förderung der Feinschwingung und des Legato, Staccato und Koloratur.
Die Arbeit mit Erwachsenen, die bereits konkrete und professionelle Wege mit ihrer Stimme eingeschlagen haben und noch gehen werden (z. B. meine SängerInnen an den Universitäten Regensburg und Passau) ist sehr spannend. Die Arbeit mit Stimmen, die bereits Stimmbildung genossen haben und sich weiterbilden wollen, ist verantwortungsvoll und schwierig zugleich, wenn falsche Singemuster einstudiert wurden. Wird der Weg des Lehramtes eingeschlagen steht man in der Pflicht, sowohl Gesang als auch Sprecherziehung zu lehren, damit die jungen Stimmen durch den Sprechberuf des Lehrers nicht kaputt gehen.
Die Stimmen der "in die Jahre gekommenen SängerInnen", die sich entweder "festgesungen" haben, bei denen die Stimme spröd und kratzig geworden ist, oder die an Dysodie (Gesangsstimmstörung) leiden, brauchen besonders viel Zuwendung. Denn hier haben wir es mit ganz anderen Voraussetzungen für die Stimmbildung zu tun, als mit jungen und elastischen Stimmen. Diese Elastizität gilt es wieder hinein zu weben, soweit und so gut es geht. Denn der natürliche Alterungsprozess steht allen Wünschen und Bedürfnissen zum Trotz der schönen Tongebung im Wege. Die Geschmeidigkeit ist nicht mehr gegeben, der Tonumfang schrumpft und die Höhe scheppert. Appoggiaturen, Legati, Fiorituren und Portamenti werden immer schwieriger umzusetzen. Zuzüglich kommen noch körperliche (hormonelle) Einschränkungen hinzu. Der Stimmbildner sollte ehrliche und klärende Worte für den Betroffenen finden, um keine falschen sängerischen Hoffnungen zu erwecken.
Der Übungsweg sollte so aussehen, dass der Sänger bzw. der Schauspieler durch eine positiv gesteigerte Tätigkeit der Kehlkopfmuskulatur und eine stützende Atemmuskulatur seine Stimme zu einer einzigartig schönen und stilistisch einwandfreien Phonation formt.
Je gründlicher der Ausbildungsweg des einzelnen, desto viel versprechender das stimmliche Ergebnis. Ich brauche nicht voraus zu schicken, dass sich das tägliche Üben von selbst versteht.
Nur eine gesunde und durchtrainierte Stimme hört sich frei von Nebengeräuschen an und klingt in der Höhe beliebig kräftig oder leise, ist weittragend und resonanzreich.
Eine solche Stimme klingt ausgereift und schön (Belcanto).
Belcanto: Der Begriff wird für SängerInnen benutzt, die nicht nur außergewöhnlich schön singen, sondern auch über eine klassisch ausgebildete Gesangstechnik verfügen. Als Idealtypen und Vertreter des Belcantos galten im 17. Jahrhundert die Kastraten. Ihre technischen und sängerischen Fähigkeiten blieben bis heute legendär.
Medizinisch betrachtet hängt der Wohlklang einer Sängerstimme davon ab, wie die Stimmfalten von der äußeren Muskulatur gedehnt werden und wie sie sich gleichzeitig in sich spannt.
Bei allen schönen Stimmen ist die Einhängemuskulatur sehr gründlich innerviert, d. h. dass die Stimme ein außerordentliches Maß an Training bereits absolviert hat und gut in Übung ist. Die Stimme klingt "beseelt" und vermittelt Emotion pur! Besitzt ein Künstler darüber hinaus eine einzigartige Ausstrahlung und Persönlichkeit, so erreicht er den Zuhörer und zieht ihn in seinen Bann.